Kurzgeschichten

NR. 1

Schreibwettbewerb des Verlages  "epubli"

Thema"Feldforschung"                                                                                                                                                          Was passiert, wenn ein Protagonist systematisch das Alltagsleben anderer durchdringt, sie beobachtet und dabei selbst Teil                 des großen Ganzen wird? An welche Orte, Kulturen oder Randgebiete verschlägt es ihn? Was erfährt er über das eigene Leben?


Als Protagonist auf Schreibtour 

Auf der Suche nach einer ansprechenden Geschichte für ein neues Buch komme ich mit meiner Phantasie einfach nicht voran. Vielleicht sollte ich mir dafür ein paar Tage Auszeitgönnen. Bestimmt kommt mir abgeschieden vom Alltag eine Idee. Das erste Mal seit meiner Anfangszeit als Autor geht es nun um etwas, was DIE Chance für mich bedeuten kann. Ich habe mir vorgenommen, einen einfallsreichen Entwurf für eine Kurzgeschichte abzuliefern, aber es fällt mir absolut nichts ein, was originell genug für einen Roman, Krimi oder eine Abenteuergeschichte ist. Die Zeit sitzt mir im Nacken, denn der Abgabetermin des fertigen Manuskriptes rückt unaufhörlich in greifbare Nähe.

Mein Notizblock für eine vorläufige Idee ist noch völlig unproduktiv, nicht einmal Stichpunkte habe ich notiert. So kenne ich mich gar nicht, normal sprudeln die Sätze in meinem Kopf vor Einfallsreichtum. Wenn ich erst einmal eine Vorstellung für eine Geschichte habe, reihen sich die Sätze auf dem Papier in kürzester Zeit schneller aneinander  als ich schreiben kann. Aber selbst die Inspiration für ein gutes Buch fehlt in meiner momentanen Vorstellung.

Ist das etwa schon die sogenannte Schreibblockade?

Mit dem nötigen Optimismus und der Hoffnung, eine interessante Spur zu finden, packe ich kurzentschlossen meinen Rucksack mit dem Nötigsten für ein bis zwei Tage und schicke mich selbst als Protagonist auf Entdeckungsreise und Schreibtour.

Mein erstes Ziel sind die Tiroler Berge. Diese Landschaft hat mich schon einmal zu einer Geschichte angeregt, warum sollte das nicht jetzt auch funktionieren? Gut ausgerüstet für die Bergwanderung mache ich mich auf den Weg hinauf zum Zweitausender des Kaisergebirges. Was für eine Tortur für ein paar möglicherweise nur kitschige Zeilen. Mit im Gepäck habe ich mehr als nur die Hoffnung, einen Geistesblitz zu bekommen. Nahe dem Himmel, abseits vom täglichen Alltagstrubel möchte ich meinen Kopf freibekommen. Dieser Tag auf dem Berg wird meine Kreativität inspirieren und meinen Geist aktivieren.                                    Bei herrlichem Sonnenschein und klarer Sicht erreiche ich nach anstrengendem Aufstieg den Berggipfel. Ein Felsvorsprung lädt mich zur Pause ein und ich gönne mir eine wohlverdiente Brotzeit. Alles dafür habe ich zusammen mit einer Decke, Fernglas und einem Notizblock im Rucksack. Zufrieden mit mir, diesen steilen Weg geschafft zu haben,  freue ich mich an dem Tag, der Natur, der Sonne und der imposanten Bergwelt. Ich kann einfach nicht genug bekommen von dieser mächtigen Schöpfung, vergesse alles um mich herum. Ich sehe die Blumen in einem intensiverem Licht und das frische Grün der Almen, freue mich an den Schneeresten neben mir und der gleichzeitig warmen Frühlingssonne,  die mich wärmt. Keine Ahnung, wie lange ich so auf dem Stein nahe dem Abgrund gesessen habe. Das Bergdorf unten im Tal scheint so weit weg zu sein, so klein und unrealistisch. Möchte ich da überhaupt wieder hin zurück? Der Sessellift bringt von Wanderungen geschaffte Bergtouristen zurück zur Talstation. Der Blick auf die Uhr weckt mich aus meinem Tagtraum. Das war die letzte Bahn, stelle ich erschrocken fest. Nun muss ich trotz Müdigkeit und ohne großen Orientierungssinn den Abstieg wagen. Ein Bett für diese Nacht habe ich auch nicht gebucht, also muss ich mir noch eine Pension suchen. Während ich den steilen, jedoch gut präparierten Bergpfad hinab gehe, laufen die Eindrücke des Tages wie ein Film vor mir ab. Von diesen Erinnerungen werde ich lange zehren können. Mein Notizblock allerdings ist leer geblieben, von einer guten Idee ganz zu schweigen. Durch die Baumlichtung sehe ich die Lichter des Dorfes im Tal in der Ferne. Sehr weit bin ich noch nicht gekommen und es ist schon fast dunkel.

Auf einmal erblicke ich vor mir ein Haus, eine einsame Hütte. Ein Hund macht mit seinem Gebelle auf sich und mich aufmerksam. Die Alm ist zwar bewohnt, hat aber keine Zimmer zu vermieten. Die freundliche ältere Almwirtin rät mir dennoch, über Nacht hierzubleiben, denn der Abstieg in der Dunkelheit ist zu gefährlich. Nach einer deftigen Mahlzeit, die mir die Besitzerin anbietet und liebevoll zubereitet bin ich müde und erholt wie selten zuvor und falle wie ein Stein in das Bett der kleinen Gästekammer. Bei einem guten Bauernfrühstück am nächsten Morgen erzählt mir Vroni, die 80-jährige Almwirtin von der Stille und Einsamkeit hier oben in den Bergen, aber auch der Freude an der Natur und ihren Ziegen. Ein Leben im Dorf kann sie sich nicht vorstellen. Ihr ganzes Leben ist sie schon hier oben, kennt jeden Stein und jeden Grashalm. Einmal die Woche kommt ihr Neffe, um ihr Einkäufe zu bringen und den Ziegenkäse, den sie in ihrer Almkäserei herstellt mitzunehmen. Diese Köstlichkeit verkauft er im Ort auf dem Markt. So ist ihr Leben und ein anderes will und kann sie sich nicht vorstellen. Hier bin ich geboren, hier möchte ich sterben und begraben sein, so erzählt sie mir ihre ergreifende Lebensgeschichte. Spürbar glücklich und voller Herzenswärme, die diese Almbäuerin ausstrahlt, verabschiede ich mich und bedanke mich für die Gastfreundschaft.

An der Zwischenstation angekommen entscheide ich mich für den Lift ins Tal. Um ein Erlebnis reicher, jedoch tatenlos, was den eigentlichen Grund meines Ausfluges in die Berge betrifft, fahre ich am Nachmittag wieder nach Hause. Drei schöne Tage liegen hinter mir, aber meine Schreibblockade ist nicht gelöst. Ich habe zwar die Bekanntschaft mit Rucksack und Vroni aufgeschrieben, jedoch nur in mein Reisetagebuch.

Keine Woche später mache ich mich auf eine Kurzreise ans Meer. Auf einer kleinen Insel möchte ich zur Ruhe und zum Schreiben kommen. Dort kenne ich mich gut aus und muss meine Freizeit nicht mit Sightseeing verbringen. Auf der Insel angekommen, fahre ich mit dem Rad zum nördlichsten Strand. Am ruhigsten Flecken angekommen, breite ich meine Decke aus und genehmige mir eine Stärkung. Genügend Tagesproviant habe ich im Rucksack.

Neugierig nähern sich Möwen, in der Hoffnung, ein paar Stücke zu erhaschen. In kürzester Zeit sammelt sich eine große Schar um mich herum. Als der letzte Krümel gegessen ist, verschwinden die Möwen und machen sich auf die Suche zum nächsten Opfer Meeresluft, Wind und Sonne machen mich müde und gelassen. Ich beschließe, einen Moment zu dösen. Auf dem warmen, weichen Sand liege ich bequem und beobachte entspannt den Himmel in seiner Schönheit. Hellgraue Schönwetterwolken bewegen sich permanent und zeigen unterschiedliche Bilder. Hier und da mischen sich Kondensstreifen der Flugzeuge unter die Wolken, die mit Hilfe der Sonnenstrahlen wie Spots glitzern. Der laue Frühlingswind und das Rauschen der Wellen in gleichmäßigem Takt sind eine Wohltat für Körper und Seele. Ein Tag am Meer, keine Hektik und Pflichten, ohne Handy in der Hosentasche, eine Seltenheit. Ein Tag, der bis auf die letzte Minute ausgenutzt werden muss.

Mitten in der Wohlfühlphase meines Körpers ertönt laut eine Schiffshupe und kündigt das Ankommen im Hafen an. Ich erschrecke fürchterlich und merke, dass ich wohl eingeschlafen sein muss. Plötzlich erwache ich aus meinem Tagtraum und der Ruhe. Meine innere Stimme sagt mir, dass es schon spätnachmittags sein muss und sich somit auch der Abschied vom Meer ankündigt, aber noch genug Zeit für ein kurzes Bad in der kühlen Nordsee. Dabei erinnere ich mich an den eigentlichen Grund meines Hierseins und ertappe mich dabei, wieder ohne Erfolg nach Hause zu kommen.

Am Hafen angekommen, sehe ich die letzte Fähre des Tages ablegen. Ein Fischer, der auf dem Weg zu seinem Boot ist, bemerkt meine Enttäuschung und bietet mir an, mit ihm zu fahren, auch gerne über Nacht. Diese überraschende Einladung nehme ich nur zu gerne an, denn es war immer schon mein Wunsch, auf einem Fischkutter mitzufahren. Nun lerne ich also nach diesem gemütlichen Strandtag auch noch das Arbeiten und Leben auf dem Meer kennen. Als Hilfsmatrose gehe ich dem Kapitän gerne zur Hand. Erst dann kann ich mir ein realistisches Bild vom Alltag dieser Arbeit machen. Bei Wind und Wetter unterwegs auf dem weiten, nicht selten auch stürmischen Meer. Was für Touristen wie eine Urlaubsattraktion aussieht, ist für einen Fischer harte Arbeit. Jan, der Fischer erzählt mir von dem harten Job und der Winterzeit auf der Insel ohne Touristen. Dann rücken die Insulaner näher zusammen. Man spricht nicht viel, aber versteht sich.

Der Fang in dieser Nacht war eher schlecht als recht, was in den letzten Jahren nichts Besonderes ist. Das Meer ist überfischt und jeder möchte etwas abhaben und sein Tagesgeschäft machen. Die Verarbeitung an Deck noch in der Nacht zerrt an den Kräften. Für Einen alleine kaum zu bewältigen, für eine zweite Kraft allerdings nicht tragbar. Jan erzählt mir, dass er im nächsten Jahr aufhören und das Boot verkaufen wird. Sein Sohn ist zwar auch Fischer, aber eine Selbstständigkeit, wie es Familientradition ist, kommt für ihn nicht in Frage. Er ist auf dem Festland in einem großen Fischereibetrieb angestellt, mit Festgehalt und sicherem Urlaub. Er möchte sich nicht krumm biegen wie sein Vater. Jan versteht das, er selbst hat ihn zu diesem Entschluss animiert.

Bei frischem Kaffee und Brötchen sitzen wir noch lange zusammen auf dem Deck des Kutters und plaudern, als würden wir uns schon ewig kennen. Mit dem Zug trete ich meine Heimreise an, wieder ohne nur ein Wort auf meinem Block stehen zu haben. Ich notiere diese Tage wie immer in meinem Reisetagebuch. War das wieder eine lehrreiche Kurzreise, ganz anders als geplant. Zufrieden und noch immer sehr beeindruckt von dem spontanen Kennenlernen eines echten Krabbenfischers kehre ich zurück in mein Dorf. Das Notizbuch, was mir auf Reisen als vorläufiges Manuskript dient, liegt vor mir auf dem Küchentisch. Daneben das alte Reisetagebuch, wo ich die letzten zwei Tage zur Erinnerung niedergeschrieben habe.

Als nächstes habe ich einen Ausflug an den Rhein geplant. Wie jedes Jahr verbinde ich diese Tour mit dem alljährlichen Weineinkauf beim Winzer meines Vertrauens. Erst jedoch möchte ich eine Schifffahrt zur sagenumwobenen Loreley machen. Mit dabei natürlich, mein kleines rotes Buch für alle Fälle. Wein, Weib und Gesang, eine Aussage, die für die Rheinländer unwiderruflich zutrifft. Nicht leise und besinnlich, sondern singend und mit Frohsinn geht es rheinabwärts bis zur Loreley, wo der Gesang vom Schiff die am Ufer stehenden Menschen ansteckt. Hoch oben über dem Fluss protzt die Loreley in hellem Glanz. Vom Sonnenlicht angestrahlt funkelt sie in ihrer Pracht und Schönheit. Wieder zurück im Weingut bereite ich mich auf die alljährliche Weinprobe mit vielen Freunden und Bekannten vor. Es gibt viel zu erzählen und vor Allem zu kosten.

Das letzte Jahr hat den Weinbauern eine reiche Weinlese beschert und es ist ein guter Jahrgangswein entstanden. Der Winzer ist zufrieden mit seinem Weinsortiment und bietet es gekonnt zum Verkauf an. Ich bestelle wie immer meine Jahresmenge und freue mich nach diesem langen Tag und dem geselligen Abend auf mein Bett in der hauseigenen Pension ohne einen Blick auf mein rotes Notizbuch zu werfen. Erst am Sonntagmorgen merke ich, dass ich den Stift nicht einmal bewegt und schon gar nicht für einen Eintrag gebraucht habe.

Endlich wieder in meiner gewohnten Umgebung und um ein paar Flaschen Wein reicher notiere ich auch diesen Ausflug in mein Tagebuch und denke schon an die nächste Fahrt, obwohl ich mittlerweile eine leichte Reisemüdigkeit verspüre. Jedoch kann und möchte ich die Einladung von Freunden in Dresden unmöglich absagen. Mit einem Mitbringsel aus der Heimat und meinem obligatorischen Notizbuch im Gepäck mache ich mich auf den Weg Richtung Osten des Landes.

Dresden kenne ich schon seit meiner Jugend, als die Stadt noch ihre Kriegsschäden zeigte und noch einiges in Trümmern lag. Jedes Mal, wenn ich Dresden besuche, bin ich fasziniert von der neuen glänzenden Stadt. Mit viel Liebe und Hingabe wurden die geschichtsträchtigen Gebäude wieder originalgetreu aufgebaut und restauriert. Alleine diese mühsame Arbeit ist es wert, die gute Tat als geschichtliches Buch zu verfassen. Elbflorenz, Frauenkirche, Zwinger, das blaue Wunder, die bekannte Elbbrücke – all das sind faszinierende Wahrzeichen der Stadt und ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich es sehe und an früher denke. Eindrücke, die ich mit meinen Augen sehe, mit den Sinnen aufnehme mit dem Mund aber nicht beschreiben kann. Um diese Gedanken in Worte zu fassen, bedarf es große Anerkennung und einiges an Zeit als nur kurze Notizen auf die Schnelle. Die Frage meiner Freunde nach einem neuen Buch beantworte ich mit einem kurzen Satz: „Mir fällt nichts mehr ein“!

Meine Rückreise führt mich noch zu einem spontanen Kurztrip nach Berlin. Am Brandenburger Tor gönne ich mir eine Verschnaufpause  und verweile auf einer Bank in der Sonne. Dort mache ich meine Eintragungen in das Reisetagebuch.

Beim Aufschreiben fällt mir auf, dass diese ganz unterschiedlichen Reiseerlebnisse der letzten Wochen, angefangen vom Wilden Kaiser in Tirol bis in den Norden Deutschlands, dann in den Westen an den Rhein und zum Schluss in den östlichsten Winkel des Landes ein Buch füllen würde. Die Sätze müssen nur passend aneinander gereiht und inhaltsreich ausgeschmückt werden. Jede Kurzgeschichte für sich ergibt alleine schon eine  interessante  Reisegeschichte. Werden alle Erfahrungsberichte ideenreich und kreativ miteinander verbunden erreicht man ein originelles, künstlerisch wertvolles Gesamtwerk.

Mein ganz persönliches Reisetagebuch mit den unterschiedlichsten Zielen, Anekdoten und Erinnerungen also ist die Geschichte, nach der ich schon so lange gesucht habe. Ich selbst bin der Inhalt des Buches.

Meine Reisen, meine Erlebnisse, meine Geschichten

Das Buch

 

 

NR. 2

Schreibwettbwerb der Frauenzeitschrift "LISA"


Brücken bauen – brauchen wir nicht alle Asyl ?

Um Kulturen und Menschen kennenzulernen, muss ich nicht in die Ferne reisen. Es reichen ein paar Schritte in die unmittelbare Nachbarschaft. Der Blick aus meinen Fenstern zeigt mir Mitbürger aus den unterschiedlichsten Ländern. Zuwanderer aus Kontinenten, wo Krieg, Armut und Verfolgung herrschen. Ängstliche, vom Schicksal gekennzeichnete Menschen, die ihre Heimat verlassen und eine Reise ins Ungewisse hinter sich haben. Sie investierten ihr Erspartes an Schlepper, um sich auf eine lebensgefährliche Reise zu begeben.

Wie die Flucht jedes Einzelnen ausgesehen haben mag, möchte man sich nicht vorstellen. Viele Leidensgenossen bezahlen die Tortur mit ihrem Leben. Wer es dennoch schafft, erreicht nach einer strapaziösen Flucht  traumatisiert eines der überfüllten Auffanglager in den Hafenstädten.

Jeder Einzelne dieser Menschen hat es verdient, als Asylsuchender gastfreundlich aufgenommen und geschätzt zu werden. Sie benötigen unsere Hilfe und Zuneigung sowie verständnisvolle soziale Unterstützung. Kinder, die als Flüchtlingskinder auf der Flucht oder in unserem Land geboren werden, bedürfen Hilfe und Liebe, um sich integrieren zu können.

Nach allen dramatischen Erlebnissen ist es nicht zu verdenken, dass Erinnerungen zum Vorschein kommen, die Angst und Panik auslösen. Natürlich bleibt es da nicht aus, dass es untereinander auch  Meinungsverschiedenheiten und Reibereien gibt. Aber ist das nicht normal unter Menschen unterschiedlichster Kulturen und Lebensweisen? Ist es andererseits nicht beeindruckend, dass Menschen, die sich in ihren Heimatländern bekriegen, hier weitgehend friedlich unter einem Dach leben?

Fremde und unterschiedliche Religions- und Lebenskulturen packen ihr Schicksal gemeinsam an, weit weg ihrer Heimatländer Somalia, Syrien, Afghanistan, Eritrea, Äthiopien, dem Irak und nordafrikanischen Krisenregionen. Fröhlich spielende Kinder von Muslimen und Christen spielen gemeinsam auf der Wiese vor der Gemeinschaftsunterkunft. Das macht Eltern und Mitbewohnern Mut für die Zukunft.

Es ist doch unsere Pflicht als Mitbürger und Nachbarn, diesen Menschen unsere Achtung und Respekt zu zeigen. Wenn wir es lernen, ohne Vorurteile und Demütigungen auf die Flüchtlinge zuzugehen und sie als unsere Mitbürger akzeptieren, kann unsere Welt dadurch nur reicher werden.

Ein Lächeln, ein Händedruck, ein Winken oder ein gutgemeintes Wort kann Berge versetzten.

Sind wir nicht alle Ausländer?

Wenn wir zur Sommerszeit in Scharen unsere Ferien in aller Welt verbringen, erwarten wir, freundlich aufgenommen zu werden. Für uns ist es selbstverständlich, unsere Urlaube z. B. in Spanien, Ägypten, Tunesien zu verbringen. Sonnenhungrig fliegen wir in diese Länder und sehen es als selbstverständlich, von den Einheimischen herzlich willkommen geheißen zu werden. Gut erholt und mit reichlich schönen Eindrücken aus der Ferne reisen wir wieder nach Hause.

Für die Flüchtlinge aber hat das hier ankommen nichts mit Urlaub und Erholung zu tun – sie brauchen Asyl und suchen Frieden.

 

 

NR. 3

Schreibwettbewerb der ZDF Serie "Der Bergdoktor"

Es sind die Nachnamen der aktuellen Schauspieler und einiger Teammitglieder im übertragenen Sinne einzubringen und zu kennzeichnen.                   

Nikolaus Abend auf dem Gruberhof

Tüchtig geschneit hatte es heute am 6. Dezember. Gerade rechtzeitig und sehnsüchtig erwartet für die bevorstehende Wintersaison im Skigebiet Wilder Kaiser. Für den heutigen Tag war wie jedes Jahr am Nikolaustag das alljährliche traditionelle Ski-Opening in Ellmau geplant. Nicht immer liegt zu dieser Veranstaltung bereits genügend Schnee. Aber heute war alles anders. Rechts und links jeder Straße waren schon von den Räumfahrzeugen aufgehäufte Schneemauern zu bestaunen. Nach dem gemeinsamen Bratapfelessen auf dem Gruberhof wollte auch Lilli in diesem Jahr zum ersten Mal alleine zur Party ins Tal.

In der Bergdoktorpraxis war nach einem arbeitsreichen Dezembertag mit zahlreichen Hausbesuchen endlich die wohlverdiente Ruhe eingekehrt. Ohne die unterstützende Hilfe seines Kollegen und Freundes Roman hätte es Martin wieder einmal nicht pünktlich nach Hause geschafft. Er wünschte sich einen ruhigen Feierabend. Er dachte in diesem Moment weder an den heutigen Nikolausabend noch an das alljährlich stattfindende Highlight in Ellmau, wo Lilli heute erstmals ohne wenigstens einen ihrer Väter hingehen durfte. Es war eine nicht einfache und einstimmige Entscheidung von Hans und Martin gewesen, ihr das zu erlauben. Nur mit der Einsicht von Lilli, sich von Hans bringen und von Martin abholen zu lassen, konnten die Väter in das Vorhaben ihrer Tochter einwilligen. Auf der schmalen Straße hinauf zum Bromberg sah Martin ein sehr langsam sich fortbewegendes Fahrzeug. Es leuchtete und blinkte schon von Weitem. Beim Näherkommen hörte Martin hell klingende Glöckchen, die an einem Pferdeschlitten angebracht waren. Jetzt erst erinnerte er sich an den Nikolaustag und freute sich spontan auf die Bratäpfel, die bereits in der Röhre standen und im ganzen Haus einen leckeren Duft verbreiteten. Damit war die Weihnachtszeit angekommen. Martin konnte mit seinem in die Jahre gekommenen grünen Mercedes auf der engen und schneebedeckten Passstraße unmöglich überholen. Das machte ihm in diesem Moment aber auch nichts mehr aus, er freute sich auf das Familienessen. Gemeinsam mit dem Pferdefuhrwerk erreichte er den Gruberhof. Als er den Kutscher erblickte, war er überrascht, er hatte ihn nicht bestellt. Es war zwar nicht der Nikolaus persönlich, aber auch bei dem Anblick von Knecht Ruprecht vermutete er wohl eine schöne Überraschung für Lilli. Er blieb im Hintergrund stehen und ließ Knecht Ruprecht gespannt den Vortritt. Unüberhörbar pochte der große Mann mit seiner Faust an die hölzerne Eingangstür des Tiroler Bauernhauses. Mit rauer, aber sehr lauter und intensiver Stimme rief er ein vorweihnachtliches Gedicht in den nächtlichen eisigen Sternenhimmel:

„Draußen vom Baumgartner komme ich her und will euch sagen, es raucht dort schon sehr. Öffnet mir Haus und Keller, macht auf die Tür, ich habe Weihnachtspost versiglt vom Christkind bei mir“.

Es dauerte nicht lange, bis die Tür geöffnet wurde. Lilli stand in Begleitung von Hans und Lisbeth staunend im Flur und hatte direkten Augenkontakt mit dem frühabendlichen Besucher. Knecht Ruprecht sichtlich durchgefroren von Eis und Schnee nuschelte er ein paar schwer verständliche Worte in seinen Barth. Seine Brille verschlug durch den warmen Atem, der wie Rauch aus seinem Mund aufstieg. Eifrig kramte er in seinem riesigen Jutebeutler herum und suchte verzweifelt nach Etwas. „O-Hara, wo ist er denn nur“, stotterte er fast verzweifelt in seinen Barth. „Lieber Weihnachtsmann, was suchst du? Kann ich dir helfen?“ fragte die sonst resolute Lilli schüchtern und ungeduldig. „Der Brief, er muss hier drinnen sein. Der Brief von dem Erzengel Immanuel, der Brief. Mein liebes Mädchen, warte, warte ich finde ihn bestimmt gleich“, beruhigte sich Knecht Ruprecht selbst. „Ein Brief für mich?“ Lilli war nun, genau wie alle anderen der Gruber’s doch ziemlich ungeduldig. „Ho, ho, ho – hier ist er ja, der große Brief mit Sigl“. Erleichtert kramte er einen großen Briefumschlag heraus und fragte nach Martin Gruber. Der Bergdoktor stand hinter Knecht Ruprecht und war sichtlich erschrocken über seine Namensnennung. Damit hatte wohl keiner gerechnet, eher mit einer Überraschung für Lilli von ihrem jugendlichen Schwarm. „Für dich, mein Lieber, für dich“, betonte der Vertreter vom Nikolaus. „Für mich – vom Weihnachtsmann? Lieber Knecht Ruprecht, bist Du dir da wirklich sicher, dass diese Post für mich bestimmt ist?“ fragte Martin ungläubig ein zweites Mal. Er hielt das Kuvert in seinen Händen und wusste im Moment nicht, wie es um ihn geschehen war. Forcher, als er gekommen war, entfernte sich Knecht Ruprecht auch wieder. Auf dem im Schnee parkenden Schlitten, eingehüllt in eine warme rote Decke, rief er uns unüberhörbar laut zu: „Ronning, I must ronning!“ Mit seinem Schneefahrzeug auf Hufen fuhr er wieder davon, hinab nach Ellmau. Das Lutzte, was man noch von ihm sehen konnte, war eine riesige Schneewehe und weg war er.

Den Brief in der Hand begleitete uns Martin in die warme Küche, wo die Bratäpfel noch in der Röhre brutzelten. Alle nahmen am weihnachtlich dekorierten Tisch Platz. Lilli konnte es kaum erwarten und starrte voller Spannung auf den Brief. „Nun öffne ihn doch endlich“, quengelte sie an ihrem Vater herum. „Nein, erst wird gegessen“, bestimmte Oma Lisbeth die Reihenfolge. „Du hast es gehört, Lilli, ich darf ihn noch nicht öffnen“, antwortete Martin, selbst neugierig und gespannt. Endlich, nach gefühlten langen Stunden löste Martin das rote Briefsigl vorsichtig und öffnete den Umschlag. Ein weiteres Kuvert in roter Farbe kam nun zum Vorschein, auf dem der Name Martin Gruber stand. Auch dieser Umschlag war fest verschlossen. Mit einem scharfen Brieföffner schnitt Martin ihn auf, um an den Inhalt, ein weißes zusammengefaltetes Papier zu gelangen. Sorgfältig faltete er den karierten Zettel auseinander. Totenstille im Raum! Drei Worte, aufgeklebt aus Zeitungsbuchstaben. War das ein Drohbrief mit Lösegeldforderung, gerichtet an den Bergdoktor? „SOFORT RAUSKOMMEN – ALLEINE“ „Martin, rufe die Polizei“, flehte Lisbeth aus Angst um ihren Sohn. „Nein“, waren die gleichzeitigen Worte von Martin und seinem Bruder Hans. „Das ist sicher nur ein alberner Scherz zu Nikolaus“, beruhigte Hans seine aufgeregte Mutter. „Wenn ich in zehn Minuten nicht wieder hier bin, dann holt Hilfe“, sagte Martin mutig. Mit flauem Gefühl in der Magengegend öffnete er vorsichtig die Haustür. In diesem Moment knallte es auf dem Hof, und das Dunkel der zeitigen Winternacht erhellte den gesamten Raum vor ihm. Ein funkelndes Herz, errichtet mit unzählbar vielen Fackeln, leuchtete im Schnee. Eine Stimme schallte von der am Berg liegenden Terrasse zum Haus herüber. “Martin, willst du mich nicht endlich heiraten?“ Die Angst der letzten Minuten verflüchtigte sich bei allen Anwesenden. Martin war tief bewegt und sprachlos, Tränen flossen huber seine Wangen. Durch den tiefen Schnee rutschte er den Abhang hinunter zur Bergterrasse und nahm überwältigt seine alte und neue, einzig wahre und beständige große Liebe Susanne in den Arm und schrie in den Sternenhimmel: „Ja – ja – ja, ich will dich heiraten!“

Noch an diesem Abend wurde für den Silvestertag die Doppelhochzeit gemeinsam mit Hans und Anne vom Hennigmeierhof festgelegt. Anne war in Susanne’ s Plan schon zeitig eingeweiht worden und hatte diese Überraschung zusammen mit ihr vorbereitet. Seit dem Tod ihres Vaters Arthur wohnte sie nun bei Hans auf dem Gruberhof. Den Hennigmeierhof hatte sie ab dem neuen Jahr verpachtet. Martin verbrachte seine Tage und Nächte ohnehin die meiste Zeit im Wilden Kaiser und unterstützte Susanne gerne bei ihrer Arbeit, so oft es ihm möglich war. Lilli verzichtete spontan auf die Skiparty in Ellmau und freute sich auf eine große Hochzeit ihrer Väter. Wer hatte schon das Glück, gleich zwei Paare als Eltern zu haben? Nicht einmal die größte Skiparty in den Bergen könnte diese großartigste Nikolaus-Überraschung überhaupt noch toppen.

Diese Geschichte wurde außer Konkurrenz auf der Fanclub - Seite veröffentlicht

Über folgenden Link sind Sie direkt auf der Bergdoktor - Fanclubseite.                                                                                         Zusammenfassung aller ausgelosten Geschichten.

 
zu finden unter:
NEWS - News 2015 - Weihnachtsstory-Gewinnspiel / Die Geschichten und die Gewinner - Veröffentlichung außer Konkurrenz
 
 
 


NR. 4
 
Schreibwettbewerb "Koogschreiber 2016" 


Grenzenlose Freiheit 

Heute ist das in den meisten Ländern unserer Erde Normalität. Die Reisefreiheit ist groß und fast alle Landesgrenzen, zumindest unserer westlichen Welt sind ohne nennenswerte Probleme überwindbar. Auch für die Bevölkerung der ehemaligen DDR ist es heute nach über 25 Jahren Wiedervereinigung keine Besonderheit mehr, in fremde Kontinente zu fliegen. Vor 1989 war das undenkbar. Reisen außerhalb  ihres eingeschränkten östlichen Teil Deutschlands war für den Großteil der Menschen dort tabu.

Geschichten um die innerdeutsche Grenze, deutsch-deutsche oder Zonengrenze, geteiltes Deutschland und geteilte Stadt, Berliner Mauer oder wie auch immer die dem Krieg zum Opfer gefallenen beiden Teile unseres Landes genannt wurden, gibt es viele. Jeder, der einmal im geteilten Berlin zu Besuch war oder in der Stadt lebte, egal ob in Ost oder West, weiß davon zu erzählen. Wer irgendwo im deutschen Land, gar nahe am Stacheldraht verbracht oder grenznah  Zuhause war, verbindet damit Erlebnisse und Erinnerungen. Auch wenn man wie ich nicht unmittelbar in einem jener Grenzorte aufgewachsen ist, war die nahe Rhön und damit auch die Zonengrenze ein Ort, den man sich immer wieder angesehen hat.

Bewaffnetes Wachpersonal, schussbereit und die Augen immer auf die mit Mienen gesäumte Grenze gerichtet. Grenztürme mit grellem Rundumlicht, um nur keine Bewegung und Veränderung im grenznahen Gebiet zu übersehen. Eine unheimliche, kalte Stimmung herrschte an diesen unüberwindbaren Orten. Man befand sich zwar an einem Ausflugsort und doch war dieser Ort keiner, wie man ihn sich wünschte. Irgendwo „Drüben“ im Osten, gar nicht weit von unserem Ausflugsort in der hessischen Rhön lebten Menschen in einer für uns fremden unverständlichen, faden Welt.                                                                                    Für diese Leute war unsere Seite des Landes, der „Westen“ unerreichbar, weit entfernt – und doch so nah.

An einem Etappenziel des Sonntagausflugs erwartete uns das bekannte Warnschild, was uns zeigte, dass hier unser Weg zu Ende war und jedes Weitergehen lebensgefährlich werden würde.

„HALT – HIER ZONENGRENZE“

Unmittelbar in sichtbarer Nähe war der tödliche Grenzstreifen.                                                                                              Soweit unsere Augen das sehen konnten, verlief die baumlose, mit Stacheldraht versehene Grenze und man konnte sich nur schwer den weiteren Verlauf vorstellen. Der ungehinderte Blick rüber in die DDR macht uns neugierig.

Mit dem Fernglas in der Einen und der leckeren Thüringer Rostbratwurst in der anderen Hand starrten wir auf die eintönigen grauen Häuser eines kleinen Grenzdorfes, wo Männer an einem Dach arbeiteten. Wahrscheinlich reparierten sie es heute am Sonntag, weil sie das dafür benötigte Material gerade einmal irgendwo ergattern konnten. Ein spontaner Einkauf in einem Baumarkt, wie wir es gewöhnt waren, gab es dort nicht. Mit Glück oder Beziehungen kam man an nötiges Material für Reparaturen oder Schönheitsarbeiten in der Wohnung.

Vielleicht richtete sich der Blick dieser Arbeiter in diesem Moment sehnsüchtig hinüber in unseren vergleichsweise so modernen, für sie unerreichbaren Westen. Manch einer träumte möglicherweise davon, einmal auf unserer Seite stehen zu dürfen.                Andere wollten es vermutlich gar nicht sehen oder konnten es sich nicht vorstellen.                                                                  Sie lebten in ihrer Welt und kannten keine andere.

Mit vielen Einschränkungen, die für uns zum normalen Leben dazu gehörten, lebten die Ostdeutschen jedoch weder schlecht noch unglücklich. Alles, was sie zum täglichen Leben benötigten, war zu bekommen, wenn auch oft mit List und Tücke.                       Es wurde gearbeitet und gespart für einen Urlaub in einem volkseigenen Erholungsheim an der Ostsee. Wenn man großes Glück hatte, kam man auch schon mal in den staatlichen Lostopf für eine Reise an den Plattensee.

Wer Beziehungen in den Westen hatte, kam hin und wieder in den Genuss von Westpaketen. Vor Weihnachten standen die Pakete mit Backwaren, Kaffee und Schokolade hoch im Kurs und es wurde auch schon mal Tauschhandel betrieben.                           Damit bin ich in meiner Familie aufgewachsen. Meine Eltern pflegten eine Freundschaft zu einer ostdeutschen Pfarrersfamilie. Unsere Väter waren während des 2. Weltkrieges Kriegsgefangene in Frankreich und blieben Freunde bis an ihr Lebensende.     Dass der Eine dann in der späteren DDR zuhause war, erschwerte den Kontakt. Dennoch machte man alles möglich, um sich zu sehen und zu helfen. So entwickelte sich auch eine enge Verbindung zwischen uns Kindern, die bis heute besteht.                       Ich wurde Patentante des ersten Sohnes der Tochter des Kameraden. Auch ich verschickte wieder jene Pakete mit dem Ziel „DDR“ und machte meine Erfahrungen.                                                                                                                                   Mit peinlichst genauer Inhaltsangabe  wurden die Sendungen verpackt und als sichtbare                                              „Geschenksendung, keine Handelsware“ mit der erforderlichen Paketkordel zugeschnürt und auf die nahe, aber doch lange Reise in die Ostzone geschickt.

Die Freude war groß, als die sehnlichst erwarteten Westpakete ankamen und das Backen mit gemahlenen Haselnüssen, Kokosraspeln oder sonstigen nur in teuren Transitläden erhältlichen Backwaren losgehen konnte.                                             Dass diese Geschenkpakete auch angekommen waren, erfuhr man erst viel später durch einen Brief. Schon beim Öffnen dieser Post konnte man feststellen, dass der Brief von der Grenzkontrolle geöffnet und gelesen worden war, vorausgesetzt,                 die Post kam überhaupt beim Empfänger an. Ein Großteil der Briefe, die nie angekommen sind, kann man heute in der persönlichen Stasi-Akte wiederfinden. 

Das Telefonieren war eine Ausnahme und nur möglich, wenn jemand im Dienste des  öffentlichen oder politischen Lebens der DDR stand und es musste beantragt und genehmigt werden. Und doch gab es keine Garantie für eine Verbindung. Hatte man es geschafft und hatte den gewünschten Gesprächspartner in der Leitung, wurde das Gespräch kontrolliert und nach kurzer Zeit abrupt beendet. Hatte man eine eilige Mitteilung zu machen, war es nur über ein Telegramm möglich, wie auch zu unserer Hochzeit. Wir hatten den Wunsch, dass der befreundete Pfarrer aus Dresden gemeinsam mit unserem örtlichen Pfarrer die kirchliche Trauung abhalten sollte und beantragten dafür die Einreise bei der zuständigen Behörde der DDR. Überraschend wurde dieser Antrag genehmigt, die Freude war groß. Am Tag der geplanten Ankunft kam von höchster Stelle des Politbüros per Telegramm die kurzfristige Ablehnung. Selbst das schon lange beantragte Telefonat am Hochzeitstag wurde erkennbar abgehört und  durch ein lautes Knacken in der Leitung wieder schnell beendet.

Die größte Geduldsprobe musste man für Besuche beweisen. Für die Einreise waren eine Einladung und ein Einreisevisum zwingend erforderlich. Erst dann durfte man sich auf die strapaziöse Reise  machen. Je öfter man die innerdeutsche Grenze passierte, umso länger dauerte die Abwicklung der Einreisformalitäten. Das war ein deutliches Zeichen dafür, dass alle vorangegangenen Besuche peinlichst genau dokumentiert wurden, was sich Jahre später ebenfalls in der Stasi-Akte bestätigte. Warteschlangen, Visum- und Passkontrolle, Gepäck- und Wagenprüfung, Zwangsumtausch und Schikanen. Die umgetauschten Devisen mussten im Land bleiben und es durfte nichts davon ausgeführt werden. Man schenkte das wertlose Geld den Freunden, bezahlte Einkäufe oder kaufte sinnlose Dinge. Einmal hatte ich bei der Ausreise noch ein paar Münzen in der Tasche.                  Ich schmuggelte das Ostgeld mit ängstlichem Gefühl gut versteckt in meinen Socken in den Westen.                                     Diesen nostalgischen Schmuggel habe ich bis heute in einem Bilderrahmen aufgehoben.

War man dann endlich über schlechte Verkehrswege  im östlichsten Teil der DDR angekommen, ging es mit den Einreiseformalitäten wie Personen- und Passkontrollen weiter. Noch am Anreisetag war die polizeiliche Meldung in der Hausgemeinschaft der Gastgeber erforderlich und spätestens am darauffolgenden Tag musste die Meldepflicht mit dem Eintrag in den Reisepass bei der Polizei erfüllt sein.

Hätte man damals schon geahnt, dass man außerdem bespitzelt und auf Schritt und Tritt verfolgt wird, hätte man vermutlich von so manchem unvergesslichen Besuch Abstand genommen und diese nicht unerheblichen Gefahren für die Familie wahrscheinlich nicht in Kauf genommen.

Die erste Überquerung über die ehemalige deutsch-deutsche Grenze kurz nach der Grenzöffnung 1989 habe ich mit mulmigen und gemischten Gefühlen gemacht. Diese friedliche Stimmung war mir äußerst unheimlich und nicht glaubhaft.

Heute, eine gefühlte Ewigkeit nach der deutschen Wiedervereinigung bin ich stolz und dankbar für diese Erfahrungen und Erlebnisse. Umso größer schätze ich das Glück, mit dem Osten Deutschlands nicht nur die altbewährte freundschaftliche sondern auch eine neue deutsch-deutsche Familienverbindung zu haben. Meine Enkelkinder können in einem vereinten Deutschland grenzenlos aufwachsen.

Wo die Liebe hinfällt, in unserem Fall in die ehemalige Ostzone. Eine glückliche Ossi-Wessi-Ehe.                                                  Zu Zeiten des kalten Krieges wäre dies unvorstellbar gewesen. Und doch vergeht kaum eine Reise über die ehemalige Grenze,     wo man nicht an die vergangenen Erlebnisse denkt.